Tiniest Dreams
Zwei, die nicht eins werden können. Diese Idee zieht sich konzeptuell durch Tiniest Dreams, der allein schon durch seine formale Zweiteilung besticht. Im ersten Abschnitt, ohne Ton und in Farbe, folgt der Blick einer Frau (der Sängerin Angel Olsen), die durch einen Garten hastet. Als wäre sie auf der Flucht, dreht sie sich immer wieder um – und verkörpert so ein „orpheisches“ Moment, das sich gleichfalls durch den gesamten Film zieht (Olsen ist Orpheus und Eurydike in einer Person, die sich als Leinwandfigur wiederholt aufspaltet und multipliziert). Das Ausgangsmaterial, auf 16mm gedreht, ist durch gezielte Bearbeitung mit einem Optischen Printer in pastose, satte Farbtöne getaucht. Es dominieren Primärfarben, die durch Kopiereffekte und selektiven Kadereinsatz von melancholischer, ja pathetischer Flüchtigkeit künden. Ganz anders der zweite Teil: In hochauflösendem Schwarzweiß sehen wir Olsen ihren Song „Tiniest Seed“ intonieren, teils auch dazu mimen – und, in Form von Mehrfachbelichtungen umgesetzt, das Drama das Nicht-eins-werden-Könnens aufführen. „Where is my harmony?“, singt sie wiederholt und scheint damit, geradezu klassisch, Verlust und Entzweiung zu beklagen. Dass sie selber es ist, die sich (im Filmbild) zunehmend aufspaltet, gibt dem Szenario nochmals einen etwas anderen, kontrafaktischen Dreh. Gegen Ende hin sehen wir nur noch Olsens Rücken, zweifach, dreifach, vierfach – als hätte Orpheus sich beim Gang aus der Unterwelt doch nicht umgedreht. Oder als wäre Eurydike, und dies ist die Pointe dieses „klitzekleinen Traumes“, so oder so entschwunden – schließlich verflüchtigt sich, schwächer und schwächer werdend, auch ihre Rückenansicht. Gerade im Moment der Entzweiung kommt so auch etwas zur Deckung, ja scheint der doppelte Verlust auf höherer Ebene in ein ungeahntes Gemeinsames zu münden. Aus zwei wird doch noch eins.
(Christian Höller)
Ein Musikvideo als formales Zweigespann. Zunächst eine stumme, in Primärfarben flimmernde Sequenz. Eine Frau mit Perlentiara hastet durch das unstet opalisierende Bild. Ihr wiederkehrender Blick in die Kamera kündet von Flüchtigkeit und Melancholie; Gefühle, die sich auch im zweiten Teil des Videos fortschreiben, wenngleich auf andere Weise. Die materielle Unruhe verkehrt sich hier in ihr Gegenteil, Farbe weicht körnigem Schwarz-Weiß. Während Sängerin Angel Olsen ihren Song „Tiniest Seed“ intoniert, montiert Randy Sterling Hunter Überblendungen, die sowohl mit der formalen Spaltung als auch mit dem im Liedtext artikulierten Zwiespalt korrespondieren. „As we disappear, something else becomes real“, singt Olsen und entschwindet allmählich in einen Traum aus Licht und Schatten.
(Katalogtext Diagonale 2015)
Ein kunterbuntes stummes Kurzporträt einer Frau im Garten, gefolgt von einem kontraststarkem Musikvideo in Schwarzweiß mit imposanten Mehrfachbelichtungen. Zuerst also ein Musterbeispiel an innovativer Postproduktion, gefolgt von einem in der Kamera geschnittenen Werk allerhöchster Handwerksgüte. Hunter bewegt sich in beiden Fällen auf den breit ausgetretenen Pfaden der Avantgardefilm-Geschichte irgendwo zwischen Len Lye und Kenneth Anger, ohne sich jedoch sorgen zu müssen, in diesen Fußstapfen zu versinken.
(Rainer Kienböck, In: jugendohnefilm.com)
Tiniest Dreams
2014
Österreich, USA
6 min